25 Feb
25Feb

Adlerweibchen Falina, die alles beobachtet, sah dass ihre Großmutter Tilny ihre Beute nicht mehr greifen konnte. Ihre Krallen waren lang und biegsam; und ihr Schnabel, der vorher noch so vollkommen war, erschien nun länglich und spitz. Zur Brust hin zusammengekrümmt, waren die Flügel gealtert und schwer, die Federn waren zu dick geworden – allzu sehr erschwerte dies den Akt des Fliegens!

Ihre Großmutter konnte sie nicht mehr begleiten auf den Himmelsflügen, während derer sie die Weite des Planeten beobachteten. Eines Tages rief Tilny Falina zu sich und sagte: „Enkelin, ich bin nun vierzig Jahre alt, und in diesem Alter müssen wird Adler eine ernste und schwierige Entscheidung treffen. Entweder wir sterben, oder wir ziehen weiter zum Berg der Erneuerung und bleiben dort fünf Monate lang; auf diese Weise werden wir weitere dreißig Jahre leben“. Falina hörte aufmerksam zu. Tilny fuhr fort zu erzählen: „Ich habe mich entschieden zum Berg zu gehen, und ich möchte, dass Du mit mir kommst, um den Weg zu lernen, den Du eines Tages selber beschreiten musst. Falina sagte in einer Mischung aus Neugierde und Angst sofort zu. Am nächsten Tag folgten beide in Richtung ihrer Bestimmung. Es war ein hoher Berg, nahe einer großen Wand. Dort begann Tilny, mit Falinas Hilfe ein schönes Nest zu bauen. Nachdem sie ihren Wohnplatz fertiggestellt hatte, sagte die Großmutter zur Enkelin: jetzt muss ich mit meinem Ritual der Erneuerung beginnen. Dafür ist es erforderlich, all das zu entfernen, was mir nicht mehr dient. Und augenblicklich begann sie, auf die große Wand einzupicken, bis ihr der Schnabel abbrach. Falina sah den Schmerz ihrer Großmutter, der sich ausdrückte in ihrer Anstrengung. Ihre Augen benetzten sich voller Liebe, doch sie konnte nichts tun, außer zu beobachten und zu lernen. Ohne Schnabel und erschöpft, beruhigte sich die Großmutter in ihrem Nest und schloss die Augen, um auf die Geburt eines neuen Schnabels zu warten. Falina flog fort um zu jagen und um die Luft des blauen Planeten zu atmen, die sie so sehr bezauberte. Als sie nach einigen Tagen zurückkehrte, traf sie die Großmutter mit einem neuen Schnabel an, während die Großmutter sich gerade die eigenen Krallen ausriss. Eine nach der anderen, wurden die Krallen ausgerissen. Ohne diesen Vorgang zu verstehen, flog Falina ein weiteres Mal in die Berge, und dachte währenddessen an die Großmutter. Tag um Tag beobachtete diese den Geburtsprozess neuer und starker Krallen. Eines Tages, als bereits sämtliche neuen Krallen ausgebildet waren, begann Tilny mit dem letzten und schmerzvollen Akt der Erneuerung: sich die alten Federn auszureißen. Der zerbrechliche Körper der Großmutter kam zum Vorschein und der verbleibende Flaum erschauderte bei jeder Berührung durch den geliebten Großvater Luft. Einmal mehr kuschelte sich die Großmutter ein, erschöpft von der anspruchsvollen Aufgabe. Schließlich, nach fünf langen Monaten, flog Tilny los auf den berühmten Flug der Erneuerung, bereit, weitere dreißig Jahre zu leben. Beide tanzten mit den Wolken, tanzten mit den Morgensternen, und sangen mit den Bergen. Nun konnten sie, wie zwei Freundinnen, zurückkehren zur Jagd, und konnten sich ausruhen an Orten, die nur diejenigen erreichen, die Flügel haben.

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